Mutlu Civiroglu https://twitter.com/mutludc
(Telefoninterview vom 21. Januar 2015)
Mutlu Civiroglu: Seit einigen Tagen gibt es Gefechte zwischen den Truppen des Assad-Regimes und den Volksverteidigungseinheiten, kurz YPG. Wie sieht die aktuelle Situation vor Ort aus?
Mihemed Hesen: Die Gefechte sind seit zwei Tagen eingestellt. Die YPG, YPJ und Asayish hatten zuvor gemeinsam gegen das Assad-Regime und einige hiesige Araber gekämpft, die entweder das Assad-Regime unterstützen, wie die Mukanain, oder den Iran, so etwa die Muhawir. Die Gefechte begannen vor fünf Tagen, als Reaktion auf die Gefangennahme von kurdischen Beschäftigte des Rathauses der Stadt Hasakah und der ihr zugehörigen Kommunen. Diese verteilten Gas unter der Bevölkerung, als Angehörige der Mukanain [regimetreue Araber] die Beschäftigten fest nahmen. Im weiteren Verlauf hat die YPG die Kontrolle über die Viertel Sabax, Xoşman und Taleb übernommen. Bis zu diesem Zeitpunkt standen diese Viertel unter der Kontrolle des Regimes. Auch die Feuerwehr wird nun von der YPG kontrolliert. Bisher sind zwei YPG-Kämpfer und sieben Kämpfer der Asayish gefallen und zwei Zivilisten getötet worden. Es gab Scharfschützen, mit Mörsergranaten wurden kurdische Viertel wie Salihiye, Mufti und Tilhacer beschossen. Das Regime selbst vbenutzte Panzer und international verbotene Waffen.
Mutlu Civiroglu: In Hasakah gab es auch in der Vergangenheit Gefechte zwischen dem Regime und der YPG. Was unterscheidet die neuesten Kämpfe von vergangenen?
Mihemed Hesen: Neu ist, dass sich die Muhawir, das sind Anhänger der libanesischen Hisbollah und des iranischen Regimes, die vor zwei bis drei Monaten nach Hasakah kamen, in diese Kämpfe einmischen. In der Vergangenheit kämpfte die YPG nur gegen das Regime und regimetreuen Arabern, den Mukanain. Diese gaben nach zwei Tagen auf und kehrten in ihre Häuser zurück. Das Regime zielte diesmal darauf ab, demographische Veränderungen in Hasakah zu bewirken. Während die ISIS die Kurden aus Kobane vertreiben sollte, benutzte das Regime in Hasakah die Mukanain und die Muhawir, um die Stadt von Kurden zu säubern.
Mutlu Civiroglu: Haben Sie Belege, die einige dieser Kämpfer als iranische Muhawir ausweisen?
Mihemed Hesen: Vor zwei Monaten berichteten arabische und kurdische Quellen im Netz über iranische Hisbollah-Kämpfer. Diese seien gekommen, um die YPG auszubilden. Das sind Falschmeldungen. Ebendiese Gruppen kämpfen jetzt gegen die YPG. Die YPG und Asayish versuchen diese Gruppen von den kurdischen Vierteln fernzuhalten, für uns ist es offensijchtlich, dass hier ein Keil zwischen die arabische und kurdische Bevölkerung getrieben werden und eine ethnische Säuberung vorgenommen werden soll.
Mutlu Civiroglu: Konnte das Regime Erfolge für sich verbuchen?
Mihemed Hesen: Wie Sie wissen, ist heute am 21. Januar 2015 der erste Jahrestag der Demokratisch Autonomen Verwaltung (Rojava). In diesem Kanton leben auch Araber, Assyrer, Armenier. Diese demokartische Selbstverwaltung ist nach dem Willen des Volkes und nicht nach dem dem Wunsch des Assad-Regimes realisiert worden. Das Regime versucht diese Selbstverwaltung zu zerstören. Bisher ist es diesem nicht gelungen.
Mutlu Civiroglu: Was können Sie über die demographische Zusammensetzung von Hasakah sagen?
Mihemed Hesen: In Hasakah gibt es viele kurdische Viertel, z. B. Salihiye, Mufti, Tilhacer, Kellafe. Auch im Stadtzentrum gibt es zahlreiche Kurden. Die Verwaltung dieser Viertel verteilt Lebensmittel und Gas, die Wasserstelle ist unter der Kontrolle der YPG. Aber weil in den letzten Tagen diese Viertel angegriffen wurden, sind einige Zivilisten nach Amude und Qamishlo geflohen.
Mutlu Civiroglu: Sie sagten, dass seit zwei Tagen die Situation entspannt ist. Einigen Berichten zufolge soll das Regime Gesandte aus Damaskus nach Hasakah geschickt haben, damit diese um die Freilassung von politischen und militärischen Gefangenen verhandeln können. Können Sie diese Angaben bestätigen?
Mihemed Hesen: Auch ich habe davon gehört, viele solcher Meldungen sind im Netz verbreitet. Als ein Journalist vor Ort kann ich diese Angaben nicht bestätigen, Verhandlungen fanden bisher nicht statt.
Mutlu Civiroglu: Viele Experten haben bisher Verbindungen zu Kobane gezogen und behauptet, dass die Angriffe auf Hasakah eine Antwort auf den Erfolg der Kurden in Kobane ist. Auch Sie haben eine Verbindung zwischen dem Regime und der ISIS gezogen, können Sie diese Relation konkretisieren? Ist es möglich, dass mit diesen neuesten Angriffen die YPG unter Druck gesetzt und beschäftigt werden soll?
Mihemed Hesen: Heute ist der Jahrestag der Demokratische Autonomie, der strategisch bedeutsame Mistenur-Hügel ist wieder unter der Kontrolle der YPG. Bald wird die YPG die Befreiung Kobanes bekannt geben. Meiner Meinung nach gibt es eine Verbinung zwischen der ISIS und dem Regime. Vier Tage bevor die Angriffe auf Hasakah starteten, gab es ein Treffen der arabischen Stämmen, die das Regime unterstützen, mit den arabischen Stämmen, die die ISIS unterstützen. Diese Stämme setzten sich zum Ziel, die ethnisch und religiös unterschiedlichen Völker der Region miteinander zu bekriegen. Die Hälfte der Christen unterstützt das Regime, die andere die Demokratische Autonomie (Rojava). Sie sind frei in ihrer Entscheidung.
Mutlu Civiroglu: Sie haben über die gefallenen Kämpfer der YPG und Asayish berichtet und auch über getötete Zivilisten. Haben Sie genauere Angaben zu den Verlusten des Regimes?
Mihemed Hesen: Einige höhere Generäle des Regimes sollen gefangen genommen worden sein, in der vergangen Nacht wurden drei Mitglieder der Gruppe Mukanain getötet, zudem werden insgesamt 50 Regime-Soldaten und Mukanain-Mitglieder von der YPG gefangen gehalten.
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Mutlu Civiroglu ist ein Kurdischen Angelegenheiten Analyst mit Schwerpunkt auf Syrien und der Türkei. Er verfolgt aufmerksam Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) Kampf gegen ISIS und anderen dschihadistischen gruppen .
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Vom Kurdischen ins Deutsche übersetzt von https://twitter.com/ViyanKurd